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Kennen Sie schon Ihren Homocystein-Wert?

Kennen Sie schon Ihren Homocystein-Wert? Posted on 24. Juni 2022

Homocystein (HC) ist ein sehr interessantes Stückchen „Reststoff“ aus unserem Aminosäuren-Stoffwechsel an dessen Höhe wir Rückschlüsse über die Funktion verschiedener lebenswichtiger zellulärer Stoffwechselprozesse ziehen können. Funktioniert unser Stoffwechsel gut und richtig, liegt das HC – morgens im zentrifugierten Blut gemessen, nach 12 Stunden nichts essen – bei Spiegeln um die 7 µmol/l. Liegen die HC-Spiegel über 10 µmol/l, ist das aus präventiver Sicht ungünstig. Alles, was wir beim Älterwerden vermeiden wollen (Entzündung, Thrombose, Schlaganfall, Herzinfarkt, Krebs und auch Depression) ist im Stoffwechsel leichter „herzustellen“ mit einem erhöhten Homocystein. Ein HC von beispielsweise 14 oder 15 µmol/l vergrößert auf unterschiedliche Weise das Risiko – je nach Genetik und Epigenetik – für die Entstehung einer oder mehrerer altersbedingten chronischen Erkrankungen.

Wo liegt bei uns das HC so im Durchschnitt?

Während bei jungen gesunden Menschen das HC meist ca. 6–7 µmol/l beträgt, fängt es oft ab dem 40. Lebensjahr an zu steigen. Ab einem HC von 10 µmol/l funktioniert schon vieles im Stoffwechsel nicht mehr so richtig gut. Ab einem HC von mehr als 12 µmol/l fängt es – in uns drinnen – an zu „knirschen“. HC-Werte über 14 µmol/l sind funktionell und präventiv betrachtet sehr ungünstig. So ein hohes HC „reizt“ die Gefäßwände und „nervt“ das Gehirn, da es proentzündliche und Thrombose fördernde Auswirkungen hat. Richtig „gesund“ sind HC-Werte zwischen 6–8 µmol/l und das ist in der Therapie auch das gesunde HC-Ziel. Manchmal gelingt es nicht, das HC auf Werte von 7 µmol zu senken, da gewisse körperliche „Umstände“ ein normales HC nicht mehr erlauben, wie zum Beispiel eine fortgeschrittene chronische Niereninsuffizienz oder auch bestimmte genetische Dispositionen. In diesen Fällen wäre das Absenken des HC’s auf Werte von unter 12 µmol schon ein Riesen-Erfolg.
Der durchschnittliche HC-Wert, den ich meist in meiner Praxis bei gerade noch gesunden, sich gesund ernährenden, aber gestressten, müden und erschöpften 40–50jährigen Menschen messe, liegt bei ca. 11 µmol/l. Echt? So hoch? Ja, so hoch, und das ist nicht gut, denn mit einem Homocystein von 11 µmol/l ist es schwieriger, im Alter gesund zu bleiben, weil unser Stoffwechsel und seine IBSE empfindlicher werden. Wir sterben nicht, das ist nicht lebensbedrohlich, aber ein erhöhtes Homocystein ist ein Faktor, der im Falle eines „Pechs“ (Unfall, Infektion, Stress, akute oder chronische Erkrankung) die Waagschale zu unseren Ungunsten beeinflussen kann.

Wovon ist der HC-Spiegel abhängig?

Was brauchen wir – wenn unser HC bei 12 µmol/l liegt –, um es auf Werte von 7 µmol/l zu bringen? Ganz einfach: Die B-Vitamine! Denn es sind die B-Vitamine, vor allem B12, B9 (Folate), B7 (Biotin), B6 und B2, die sich an der Umwandlung und Verstoffwechslung von HC in wieder etwas Gesundes beteiligen.
Wie soll man sich das vorstellen? Das ist komplex, aber ich werde versuchen, es einfach zu erklären. Alles dreht sich beim HC um die Aminosäure Methionin, eine unserer 8 oder 9 (je nachdem wie man zählt) essenziellen Aminosäuren. Methionin müssen wir aus der Nahrung aufnehmen, sonst geht „das Leben“ nicht. Methionin ist wichtig, weil es hilft, wichtige Strukturen in den Zellen mit einer Methyl-Gruppe (CH3) zu verbinden (methylieren). Beispielsweise wird mithilfe von Methyl-Donatoren (SAM), die aus Methionin entstehen, die DNA methyliert. Diese Methylierung entscheidet, was dann aus unseren Genen ausgelesen wird oder nicht: Gesundheit oder Krankheit. Ohne diese Methylierung wird eher mehr „krank Machendes“ aus unseren Genen abgelesen.

Wenn die Methyl-Donatoren ihre Methylgruppe abgegeben haben, entsteht daraus Homocystein. Dieses Homocystein wird entweder mithilfe von B6 zu Cystathionin abgebaut oder mithilfe von Folsäure, B12, B2 und Betain wieder zurück zu Methionin recycelt. Cystathion wird entweder über die Nieren ausgeschieden oder mithilfe von Vitamin B6 weiter zu Cystein umgewandelt, eine sehr wichtige Aminosäure, die wiederum Vorläufer für Glutathion ist. Glutathion, ein Produkt aus den drei Aminosäuren Cystein, Glycin und Glutamin, ist die wichtigste körpereigene antioxidative Entgiftungssubstanz. Ohne Glutathion kann die Leber in der Phase II ihrer Entgiftung nicht arbeiten, was schreckliche proentzündliche und damit krankmachende Folgen für den Stoffwechsel hat.

Bei den B-Vitaminen ist die Frage in meiner Praxis nicht mehr, ob wir die B-Vitamine vor allem als Gehirn– und Nerven-Therapie brauchen (die Antwort ist JA), sondern wie viel von jedem einzelnen B-Vitamin bei jedem von uns nötig ist, um einerseits gute Zielwerte der einzelnen B’s und niedrig-normale HC-Werte um die 7 µmol/l zu bekommen und andererseits diese Zielwerte auch lebenslang zu erhalten.

Lange merken wir nichts von einem B-Mangel und von erhöhtem Homocystein

Ein erhöhtes HC merken wir sehr lange nicht, schon gar nicht an einem eindeutigen Symptom, so wie wir auch nicht sofort erhöhte Nieren-, Leber-, Cholesterin- und Zuckerwerte merken. Das ist völlig normal, dass der Körper in guter Kompensation, sich lange nichts anmerken lässt. Er kann sich anpassen. Das ist gut so und muss so sein. Aber mit jedem Punkt mehr HC, weniger B’s und weniger Glutathion steigt unsere individuelle biochemische Stoffwechselempfindlichkeit (IBSE). Bei einer hohen IBSE fühlt man sich nicht mehr wohl und Stress wird nicht mehr vertragen. Stellen Sie sich das HC so vor, wie einen Krümel, der nervt oder einen stetigen Reiz ausübt. Abhängig davon, wo der Krümel landet, kann das relevant oder egal sein. Ein Krümel im Mund ist egal, aber im Auge ist er „schlimm“, er tut weh und stört und macht auf Dauer vielleicht auch etwas kaputt. Wenn kein B-Vitamin diese Krümel wegräumt, werden die Krümel größer und größer und nerven, vor allem das Gehirn und auch die Gefäße. Außerdem, wenn die B’s bei der Verstoffwechslung von HC fehlen, dann fehlen die B‘s immer auch an anderen Ecken und Enden des Vitamin-B-Stoffwechsels (siehe S. 89 in meinem Buch Nährstoff-Therapie). Vieles muss zusammenkommen, damit wir spürbar zu empfindlich werden. Dem Körper fällt es immer schwerer, auf Stress, Infekte und Verletzungen gesund zu antworten. Die Selbstheilungskräfte schwinden, das Wohlbefinden bleibt weg und Krankheiten entstehen.

Fälschlich gutes (niedriges) Homocystein bei Eiweißmangel

Der Vollständigkeit halber: Selten gibt es auch mal Menschen mit einem HC von 4–7 µmol/l, trotz sehr niedriger Spiegel für die B-Vitamine. Da stimmt dann was mit den Aminosäuren nicht, aus denen HC normal bei Vitamin-B-Mangel entstehen würde. Das ist auch auffällig, absolut nicht normal und vor allem nicht gesund. In diesen Fällen fehlen dann meist Methionin, eine der acht essenziellen Aminosäuren (die müssen wir aufnehmen/essen) und Cystein, eine semi-essenzielle Aminosäure, die wir aus Methionin und Serin selbst bauen können. Ein Mangel dieser Aminosäuren ist auch nicht gut, denn sie sind superwichtig, unter anderem für unsere Entgiftung.

Also: wenn HC hoch und B-Vitamine niedrig, ist HC ein Indikator dafür, dass der Vitamin-B-Mangel schon proentzündliche Spuren hinterlassen hat und die B-Substitution zur Gestaltung von Gesundheit und Zellfunktion notwendig ist. Erst, wenn die Vitamin-B-Blutspiegel in der Labordiagnostik satt gefüllt sind und das HC bei den Gesunden bei 7 µmol/l gelandet ist, höre ich auf, mir über die B-Vitamine Gedanken zu machen. Und wenn HC trotz schwerem Vitamin-B-Mangel fälschlicherweise gut ist: 6–7 µmol oder sogar < 6 µmol/l), dann stimmt zusätzlich zum Vitamin-B-Stoffwechsel auch etwas mit dem Aminosäuren-Stoffwechsel nicht. Wichtig bei der Blutabnahme: Man darf 12 Stunden vorher nichts essen, sonst ist das HC falsch zu hoch und das Blut muss zentrifugiert werden, bevor es in das Labor geschickt wird.