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Melatonin – gut für Schlaf und Immunsystem

Melatonin – gut für Schlaf und Immunsystem Posted on 1. April 2022

Melatonin ist den meisten von uns als unser Schlafhormon bekannt. Es hat eine rhythmisierende und antioxidative Wirkung. Es fördert nicht nur unseren Schlaf und reguliert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, es ist auch eines unserer stärksten körpereigenen Antioxidantien. Es wirkt in diesem Sinne für unseren Stoffwechsel nachts regenerierend, antientzündlich, antikarzinogen, knochenschützend und neuroprotektiv. Es beruhigt, nimmt Ängste, senkt die nächtliche Körpertemperatur und reguliert und stimuliert den Darm. Es entspannt in der Nacht die Muskeln und die Nerven und es reguliert und rhythmisiert andere Hormonsekretionen. Es steigert die nächtliche Synthese des Wachstumshormons, fördert die Aktivität der Schilddrüsenhormone, indem es die Umwandlung von T4 zu T3 steigert, und es hemmt die überschüssige Bildung von nächtlichem Cortisol. In der Schwangerschaft fördert es die ovarielle Hormonproduktion, während es nicht schwanger die weiblichen Hormone eher hemmt. Es ist ein sehr nützliches Hormon, um viele Effekte, die wir im Krankheits- und Alterungsprozess bisher ganz normal hinnehmen mussten, günstig zu beeinflussen, vor allem wenn der Schlaf und unsere Rhythmik, warum auch immer, gestört sind.

Tryptophan – 5HTP – Serotonin – Melatonin

Melatonin (N-Acetyl-5-methoxytryptamin), ein sogenanntes Indolamin, wird aus Serotonin gebildet, einem sehr wichtigen Neurotransmitter. Serotonin wiederum entsteht aus der essenziellen Aminosäure „Tryptophan“. Tryptophan wird größtenteils für den Eiweißstoffwechsel gebraucht, aber ein kleiner Teil des Tryptophans wird an Position 5 zum 5-Hydroxy-Tryptophan (5HTP) hydroxyliert. Um aus Tryptophan über 5HTP und Serotonin erfolgreich Melatonin bilden zu können, benötigen wir Nährstoffe, vor allem Vitamin B6, Magnesium und S-Adenosylmethionin (SAM, ein Abkömmling der Aminosäure „Methionin“).

Unsere innere Uhr steuert die Melatoninausschüttung

Die Regulation der Melatoninausschüttung erfolgt durch Stimulation oder Hemmung der Epiphyse durch den im Hypothalamus liegenden suprachiasmatischen Nukleus (SCN), unserer sogenannten inneren Uhr. Jeder Lichtimpuls wird von den lichtempfindlichen Nervenzellen der Netzhaut (Retina) an den SCN weitergeben, der dann über einen komplexen Weg diese Signale an die Epiphyse, unser sogenanntes drittes Auge weitergibt. Je dunkler es ist, desto mehr Melatonin wird ausgeschüttet. Je heller, desto weniger wird Melatonin von der Epiphyse ausgeschüttet. Die Taktung unserer inneren Uhr (SCN) ist genetisch bedingt bei jedem von uns etwas unterschiedlich angelegt. Dieser eigene innere Rhythmus verändert sich zum einen, je älter wir werden, und er wird jeden Tag und jede Jahreszeit je nach Lichtverhältnissen moduliert.

Melatonin für einen guten Schlaf, gutes Altern und zur Stärkung des Immunsystems

Melatonin ist ein uraltes Molekül, das Lebewesen seit Millionen von Jahren nutzen, um Rhythmus zu generieren und um sich zu verteidigen gegen inneren Stress und Angriffe von außen. In Phasen von Dauerstress und im Alter vermindert sich unsere körpereigene Melatonin-Ausschüttung, was auf jeden Fall für den Körper vielfältige ungünstige Folgen hat. Auch wenn das alles „normal“ ist, muss man das nicht so lassen. Man kann Melatonin in uns messen und man kann Melatonin je nach Spiegel und Indikation für eine Behandlung nutzen. Es ist nicht toxisch und wenn man nicht schlafen kann, ist die Frage nicht, ob man es braucht, sondern nur wie viel man davon für sich nutzen kann. Aber auch ohne Schlafprobleme kann Melatonin gerade im Alter helfen, den Stoffwechsel und das Immunsystem zu unterstützen, weg von dem, was wir alle nicht haben wollen und hin zu dem, was wir wollen: sich gut fühlen mit dem, was eben ist.

Melatonin wird hauptsächlich in der Nacht gebildet

Melatonin wird vor allem nachts gebildet mit einem Peak um 2–3 Uhr. Am Tage findet man deutlich niedrigere Spiegel, die nur ca. 20 Prozent der nächtlichen Spiegel betragen. Hier wird das Melatonin vor allem im Darm gebildet. Die höchste Melatoninproduktion haben Kinder vor der Pubertät. In der Pubertät fällt Melatonin steil ab, um im Erwachsenenalter langsam weiterabzufallen. Mit 80 Jahren hat ein Mensch nur noch 20–30 Prozent der Melatoninspiegel, die er im jungen Erwachsenenalter hatte.
Egal, wo Melatonin gebildet wird, seine Synthese ist immer abhängig von dem Vorhandensein der Aminosäure „Tryptophan“ und seiner Metaboliten „5HTP“ und „Serotonin“. Bei einem Serotonin-Defizit wird auch die Melatonin-Synthese abfallen. Auch fallen die Melatonin-Spiegel ab, wenn die adrenerge Stimulation (Adrenalin-Ausstoß) der Epiphyse nicht harmonisch abläuft. Hier darf es nicht zu viel aber auch nicht zu wenig sein. Zu viel adrenerge Reize sind auf Dauer genauso ungünstig, wie keine oder blockierte adrenerge Reize. Hier spielen Faktoren, wie zu viel Licht, Dauerstress, das Altern, eine ungesunde Lebensweise, die den Schlaf-Wach-Rhythmus stört, und auch die Einnahme von Medikamenten, wie z. B. Betablocker, eine Rolle.

Wann sollte man an eine Melatonin-Therapie denken?

Relativ gesund sollte oder kann an eine unterstützende Therapie mit Melatonin gedacht werden, wenn sich in der Lebensmitte der Schlaf plötzlich verändert und parallel dazu der Körper sich mit nervigen entzündlichen Problemen herumschlagen muss. Typisch für einen Melatonin-Mangel-Schlaf ist ein unruhiger Schlaf mit häufigem Erwachen, nicht wieder einschlafen können und ängstlichen Gedanken. Die Unruhe kann so weit gehen, dass sie an ein Restlessleg-Syndrom erinnert. Die Muskulatur ist in der Nacht schmerzhaft ver- und angespannt. Tagsüber ist der Betroffene müde und trotzdem nervös, das Gesicht sieht älter aus, die Augen wirken müde und etwas geschwollen, der Blutdruck kann systolisch und diastolisch ansteigen und die Hände altern besonders gut.

Jeder braucht seine eigene Melatonin-Dosis

Nach meiner Erfahrung ist die „richtige“ individuelle Therapiedosis im Einzelfall sehr unterschiedlich, daher muss man bei Melatonin ein bisschen ausprobieren, welche Dosis zu einem passt. Wir Menschen scheinen Melatonin zum einen schnell und zum anderen aber auch unterschiedlich langsam abzubauen. Auch die Rezeptoren können unterschiedlich empfindlich auf die Gabe von Melatonin sein, das hängt unter anderem von unserer individuellen biochemischen Stoffwechsel-Empfindlichkeit ab. Deswegen machen Studien auch keinen Sinn, die einfach jedem die gleichen Dosierungen geben.

Melatonin sublingual, oral, einfach oder retardiert

Wenn man Melatonin gibt oder nimmt, muss man ein bisschen nach Gefühl mit einer höheren oder niedrigeren Dosis je nach Spiegel und Beschwerden anfangen und dann je nach Befinden beim Patienten oder sich sehen, ob man die Dosis reduzieren oder steigern muss. Ja, man könnte bei allen mit einer sehr niedrigen Dosierung beginnen, aber dann kann es bei jemandem, der hohe Dosierungen braucht, „ewig“ dauern, bis die erwünschte Wirkung eintritt.

Melatonin gibt es sublingual als Spray und oral als Tabletten. Die Tabletten können einfaches (aktives) oder retardiertes Melatonin enthalten. Beim eher niedrig dosierten Spray handelt es sich meist um aktives und damit schnell wirksames Melatonin, das aber bei kurzer Halbwertszeit auch eher schnell wieder abgebaut ist. Die Wirkung hält nicht lange an. Es eignet sich deswegen gut um Einschlafprobleme (z. B. bei Jet lag) zu behandeln. Retardiertes Melatonin wird zeitverzögert über mehrere Stunden freigesetzt. Deswegen eignet sich diese retardierte Form besonders gut, wenn es um Durchschlafprobleme geht oder wenn man über eine längere Zeit eine antientzündliche Wirkung haben möchte.

Meiner Beobachtung nach hilft den meisten Menschen bei Durchschlafproblemen mit niedrigen Melatonin-Spiegeln im Morgen-Blut sehr gut die Gabe von retardiertem Melatonin in einer Dosis von 2–6 mg zur Nacht. Manche Menschen lieben auch Dosierungen bis zu 9–12 mg täglich. Aber tatsächlich mag oder verträgt nicht jede und jeder Melatonin in dieser 3-mg-Retard-Dosierung.
Ca. 15 Prozent der Patientinnen und Patienten reagieren auf retardiertes 3 mg mit einer Symptomatik im Sinne eines „Zuviel“ mit bspw. wilden Träumen und/oder zu starker Müdigkeit am nächsten Tag. Nicht erschrecken, das ist dann so. Einfach die Dosis reduzieren oder auf eine niedrige Dosis (0,5 mg) eines aktiven Melatonins umsteigen. In Deutschland sind die retardierten Melatonin-Produkte in höherer Dosierung (> 1 mg) rezeptpflichtig, die niedrig-dosierten Tabletten oder Sprays kann man auch ohne Rezept in den Apotheken und online finden.

Melatonin für das Immunsystem (z. B. bei Covid-19)

Selbst eine Dosis von 800 µg Melatonin pro Kilogramm bei der kleinen Maus war nicht toxisch. Das wäre so, als würden wir 50 000 mg einnehmen. Es gibt Melatonin-Experten, die über 100 mg freies – also nicht retardiertes – Melatonin selbst einnehmen und dabei äußerst lebendig sind, das ist spannend zu sehen. Interessant ist auch, dass die therapeutische Gabe von Melatonin im Rahmen einer schweren Covid-19-Erkrankung einen Nutzen zu haben scheint. In Virginia/USA gibt es eine Arbeitsgruppe um den Pulmologen und Intensivmediziner Prof. Paul Marik, die Melatonin antientzündlich in höherer Dosierung sowohl in der Prophylaxe wie auch in der Therapie (zu jedem Zeitpunkt, inklusive Long-Covid) einsetzt.

In den letzten 10 Jahren sind wissenschaftliche Veröffentlichungen über die mögliche gesunde Wirkung von Melatonin stark gestiegen. Zusammengefasst geht man davon aus, dass Melatonin einen Benefit für unseren Stoffwechsel, insbesondere für unser Immunsystem hat. Für alle, die so richtig in die Immunologie abtauchen wollen, hier noch eine sehr schöne Übersichtsarbeit aus China von 2020: COVID-19: Melatonin as a potential adjuvant treatment.

Melatonin hilft, schützt und macht nicht abhängig

Viele Menschen haben leider vor Melatonin völlig unnötig noch einen Heidenrespekt und wollen es trotz ihres schlechten Schlafes noch nicht einmal probieren, weil sie glauben, dass Melatonin, so wie rezeptpflichtige Schlaftabletten aus der Gruppe der Benzodiazepine abhängig macht, macht es aber nicht, kann es gar nicht. Diese unbegründete Sorge ist schade, denn wenn man die richtige Melatonin-Dosis gefunden hat, kann dieses Hormon wirklich auf sehr vielfältige Weise den nächtlichen Stoffwechsel im Sinne der Gesundheit unterstützen und biochemisch gut verträglich behandeln. Grundsätzlich kann man körpereigene Hormone, wie Melatonin, wenn sie vorher relevant gefehlt haben, in der Therapie gut bezüglich ihrer Wirkung spüren. Wenn man gut informiert (durch ärztliche Beratung mit ggf. auch entsprechender Labordiagnostik) weiß, worauf man achten soll, kann man merken, wann es zu viel ist. Dann reduziert man eben die Dosis, bis es sich gut anfühlt.

Ein Glas Wasser schadet nicht, aber es hilft auch nicht, wenn es brennt

Bei den Sprays und auch anderen Flüssigkeiten ist wichtig, dass Sie darauf achten, wieviel µg oder mg in einem Sprühstoß, einem Hub oder einem Tropfen enthalten sind. Verlassen Sie sich nicht auf die empfohlene Tagesdosis, die im Beipackzettel (wenn es diesen denn gibt) oder auf der Packung angegeben ist. Bitte richten Sie sich für Ihre Therapie nicht nach diesen pauschalen Angaben. Sie müssen die Therapiedosis, die mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen wurde, je nach Inhalt pro Sprühstoß umsetzen. Wenn Ihr günstigeres Spray nur 100 µg pro Sprühstoß enthält und sie sollen ärztlich verordnet 1 mg nehmen, müssen sie 10 Sprühstöße (10 x 100 µg = 1000 µg = 1 mg) dieses Sprays nehmen, auch wenn auf der Packung etwas anderes draufsteht. Viele Menschen wissen nicht, dass die Dosis-Angabe auf den ganzen nicht rezeptpflichtigen Produkten meist nur dazu gedacht ist, um erstens uns als Verbraucher vor zu wenig Inhalt zu schützen und zweitens, um die Hersteller juristisch vor Missbrauch abzusichern. Es ist keine ärztliche Therapieempfehlung. Es ist eine Mindestdosis, die sicher so niedrig ist, dass sie nichts Wirkliches macht, wenn jemand einen relevanten Mangel hat oder eine schwere Entzündung. Das ist wie ein Glas Wasser: schadet nicht, hilft aber auch nicht, wenn es brennt.