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Histaminintoleranz – was tun?

Histaminintoleranz – was tun? Posted on 15. Januar 2019

Es hat sich rumgesprochen. Histamin ist etwas, was nerven und wogegen man empfindlich sein kann. Viele Menschen wissen schon um ihre Problematik mit histaminhaltigen Nahrungsmitteln, wie Käse, Wurst und Wein oder Histamin freisetzenden Nahrungsmitteln, wie Tomaten, Schokolade, Orangen und Erdbeeren (sogenannte Histaminliberatoren). Sie reagieren mit Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen, Schnupfen, Atemnot, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Ganzkörperentzündungsschmerzen und Kreislaufstörungen. Teilweise sind die Symptome so stark, dass die Betroffenen beim ersten oder zweiten „Anfall“ in die Klinik gehen oder einen Notarzt rufen. Die Ärzte finden in diesen Fällen aber keine organischen Krankheiten. EKG, ECHO vom Herzen, Ultraschall vom Bauch, Magen- und Darmspiegelung und ein kleines Organlabor sind unauffällig. Bei anhaltenden Beschwerden erfolgt dann meist von ärztlicher Seite die Empfehlung, sich psychotherapeutisch vorzustellen, da es ja vielleicht eine stressbedingte psychosomatische Störung sein könnte. Und na klar, es gibt immer einen Grund, sich „gestresst“ zu fühlen. Wer kennt das nicht?
Aber selbst, wenn das Verhalten „gesünder“ und der unbewusste Konflikt bearbeitet und bewusst ist, hören die Beschwerden nicht auf. Irgendwann sind dann bei diesen Menschen der Leidensdruck und die Verzweiflung so groß, dass sie selbst aktiv werden und sie sich auf die Suche nach Antworten machen. Sie wollen nicht mehr wie ein Hypochonder behandelt werden. Der Körper ist es, der „spinnt“, auch wenn die Psyche durchaus Beschwerden triggern kann. Sie belesen sich im Internet und schnell wird klar, dass Histamin etwas mit ihren Beschwerden zu tun haben kann und siehe da: unter einer histaminarmen Ernährung mit Vermeidung der Histaminliberatoren (Erdbeeren, Orangen etc., aber auch einige Medikamente, wie z. B. Diclofenac) geht es besser. Das Problem ist nur, dass es schwierig ist, dauerhaft ganz histaminfrei zu essen, vor allem, wenn man dann noch die Milch (bei Laktoseintoleranz) und das Gluten (bei Glutenempfindlichkeit) weglassen muss. Viele gesunde Sachen fallen weg. Die Situation ist unbefriedigend und auf Dauer keine gesunde Lösung. Jeder Restaurantbesuch wird zur Gefahr, man wird unsicher… und einsam.

Wie soll es weitergehen? Viele wissen nicht, dass es therapeutisch einiges gibt, was man neben einer Ernährungsumstellung tun kann. Darauf möchte ich in diesem Beitrag hinweisen.

Zunächst ist es wichtig, nach einer Anamnese über eine eingehende Labordiagnostik zu klären, was in der individuellen Situation die Zusammenhänge und Ursachen für die Histaminempfindlichkeit (Histaminintoleranz) sind. Handelt es sich um ein Geschehen auf dem Boden einer Typ-I-Allergie vom Soforttyp? Ist der intra- und extrazelluläre Abbauweg von Histamin vermindert? Wie hoch ist der Histaminspiegel im Blut? Welche weiteren Entzündungsmechanismen sind aktiviert? Woher kommt Histamin noch im Körper? Wie geht es dem Darm und seiner bakteriellen Flora? Besteht bei Beteiligung mehrerer Organsysteme sogar eine allgemeine verstärkte Bereitschaft der Mastzellen – die auch vermehrt in der Schleimhaut sein können – ihr Histamin zu früh auszuschütten? Wenn ja, warum sind die eigenen Mastzellen so empfindlich?

Um diese und weitere sinnvolle Fragen zu beantworten, gibt es in der Labordiagnostik viele Werte, die man messen kann und je nach Ergebnis haben diese Werte dann auch eine konkrete therapeutische Konsequenz. Hier einige Beispiele:

Die DAO (Diaminooxidase) ist ein Enzym, das Histamin außerhalb der Zellen abbaut. Fehlt sie, bleibt Histamin zu lange vor Ort im Gewebe mit seinen proentzündlichen Konsequenzen. In diesen Fällen kann DAO als Kapsel (DAOSIN®) vor dem Essen hilfreich sein, um die Symptomatik abzumildern. Ggf. muss ein Kupfer- und/oder Vitamin-B6-Mangel in therapeutischer Dosis behoben werden, denn diese zwei Mikronährstoffe braucht die Darmschleimhautzelle, um die DAO zu bilden. Ein Vitamin-C-Mangel muss ebenfalls behandelt werden, denn Vitamin C stabilisiert die Mastzellen und hilft, dass diese ihr Histamin nicht zu früh oder gar ganz unnötig ausschütten. Manche brauchen viel Vitamin C, um den Spiegel im Blut in den wirksamen Bereich zu bringen. Die Darmflora kann gestört sein mit Vorhandensein von Bakterien, die im Rahmen eines Leaky-gut-Syndroms dann auch noch Histamin bilden. Hier hilft es, die Darmflora mit Probiotika und Präbiotika zu behandeln und aufzubauen. Auch Heilerde kann helfen. Sie kann Histamin im Darm binden und sie so ausleiten. Manchmal spielen auch hormonelle Dysbalancen eine auslösende Rolle für die Histaminsymptomatik. Östradiol verstärkt eine histaminbedingte Symptomatik, Progesteron senkt sie. Deswegen sind bei manchen Patientinnen die Beschwerden auch zyklusabhängig unterschiedlich ausgeprägt (kurz vor und während der Periode verstärkt, denn da fehlt das Progesteron). Auch die Pille spielt zum Teil eine Trigger-Rolle. Oft ist es initial auch erst einmal wichtig, mit einer therapeutischen Gabe verschiedener Antihistaminika (H1- und H2-Blocker) „Ruhe“ in das ganze Geschehen zu bringen. Viele Patienten haben Angst vor „richtigen“ Medikamenten, aber man muss sich bewusst machen, dass die Beschwerden (Schmerzen etc.) einen Grund haben: nämlich eine Entzündung! Sie sind nicht eingebildet. Je schlimmer der Schmerz oder die Schwellung, desto schlimmer ist die Entzündung im Gewebe. Und wenn diese nicht behoben wird, können sich chronische Krankheiten, wie z. B. Asthma bronchiale und/oder eine chronische Gastritis entwickeln, die dann medikamentös behandelt werden müssen, was wiederum weitere negative Folgen hat. Es ist wie mit einem Feuer. Manchmal muss man es erst „unnatürlich“ löschen, um dann Schritt für Schritt zu versuchen, den komplexen Prozess zu entschlüsseln und in Ruhe ohne Schmerz ursächlicher zu behandeln. Es gibt aber neben vielen Dingen, die man beeinflussen kann (Ernährung, weniger Wein und Bier, Verhalten, Einnahme von Mikronährstoffen, Vitaminen, Probiotika, Progesteron etc.) auch Faktoren, die nicht veränderbar sind, wie z. B. ein genetischer Mangel an DAO und HNMT (Histamin-N-Methyl-Transferase, ein Enzym für den intrazellulären Abbau von Histamin) oder eine Typ-I-Allergie vom Soforttyp. In allen drei Situationen wird die Toleranzschwelle für das Histamin lebenslang immer niedriger sein, als bei denen, die das nicht haben.

Zum Schluss: Histamin ist nichts Böses, es ist ein körpereigener Stoff, ein Gewebehormon, ein Entzündungsmediator, der für die Gesundheit viele lebenswichtige Funktionen reguliert. Ohne Histamin geht es nicht. Aber wenn Histamin ohne Grund, zum falschen Zeitpunkt, an falscher Stelle und individuell lokal oder systemisch zu viel vorhanden ist, kann es heftige und sehr unangenehme Symptome machen. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen einer Histaminempfindlichkeit. Von der Histaminintoleranz über das Mastzellaktivierungssyndrom (MCA) bis hin zur Mastozytose (selten). Je nach Ausprägung ist die Therapie eine andere. Beim MCA geht es meist nicht ohne eine richtige pharmakologische Einstellung mit verschiedenen Medikamenten.
Egal, was genau los ist, da es so komplex ist und so viele Faktoren bei der Histaminintoleranz eine Rolle spielen, gibt es immer etwas, was man machen kann, um das Zusammenleben mit dem eigenen Histaminstoffwechsel zu verbessern. Um zu wissen was, braucht es eine spezifische Diagnostik.